
Können Tiere trauern? Wenn Abschied auch in der Tierwelt spürbar wird
Der Verlust eines geliebten Wesens hinterlässt Spuren in den Herzen von uns Menschen. Doch was ist mit Tieren? Können auch sie trauern? Oder projizieren wir nur unsere eigenen, menschlichen Emotionen auf sie? Wissenschaftliche Studien und persönliche Beobachtungen zeigen: Tiere nehmen Abschiede wahr, sie spüren Verluste und reagieren darauf. Ihre Trauer mag anders aussehen als unsere, doch sie ist da. Fühlbar, sichtbar und oft tief berührend.
Wie Tiere mit dem Tod umgehen
Was genau passiert, wenn Tiere einen Gefährten verlieren? Die Erforschung der Trauer bei Tieren ist nicht einfach, denn anders als wir können sie ihre Gefühle nicht in Worte fassen. Doch ihr Verhalten und biologische Messungen liefern eindeutige Hinweise:
- Elefanten verharren oft tagelang an den sterblichen Überresten ihrer Artgenossen. Sie berühren diese behutsam, verhalten sich ungewöhnlich ruhig oder kehren immer wieder zum Ort des Todes zurück (Douglas-Hamilton et al., 2006).
- Hunde und Katzen reagieren auf den Verlust eines engen Gefährten oft mit Appetitlosigkeit, Apathie oder suchen verzweifelt nach dem Verstorbenen. Studien zeigen, dass vor allem Hunde stark auf den Tod ihres Menschen reagieren können (Archer & Winchester, 1994).
- Delfine wurden beobachtet, wie sie verstorbene Artgenossen „rufen“ oder den Körper ihres toten Jungtiers über Stunden oder gar Tage an der Wasseroberfläche tragen (Bearzi et al., 2018).
- Primaten pflegen häufig tote Gruppenmitglieder, als wollten sie den Tod nicht akzeptieren. Schimpansenmütter tragen ihre verstorbenen Babys mit sich, manchmal über Wochen (Anderson, 2011).
- Vögel wie Papageien oder Schwäne zeigen ebenfalls tiefe Verbundenheit. Manche verweigern nach dem Tod ihres Partners das Futter, andere ziehen sich zurück und bleiben auffallend still (Pepperberg, 2002).
Diese Beobachtungen zeigen, dass Trauer nicht allein dem Menschen vorbehalten ist. Jedoch bleibt die Frage: Ist es wirklich Trauer im menschlichen Sinne?
Tiere haben keine Begriffe für Tod oder Vergänglichkeit, wie wir sie kennen. Doch die Reaktionen auf Verluste zeigen: Sie spüren, dass etwas fehlt. Ein Vertrauter, eine Bezugsperson, ein Rudelmitglied – sie hinterlassen eine Lücke, die wahrgenommen und nicht einfach ignoriert wird. Zudem haben Forscher:innen herausgefunden, dass bei einigen Tierarten nach einem Verlust sogar der Cortisolspiegel ansteigt: ein klares Zeichen für Stress (McComb et al., 2001).

Persönliche Beobachtungen: Wenn Haustiere ihre Verluste fühlen
Wer mit Tieren lebt, hat es vielleicht selbst erlebt:
- Eine Katze, die nach dem Tod ihres Menschen immer wieder dessen Lieblingssessel aufsucht und dort schläft.
- Ein Hund, der unruhig durchs Haus läuft und unentwegt nach seinem verstorbenen Freund sucht.
- Ein Pferd, das plötzlich still und zurückgezogen wirkt, nachdem sein langjähriger Stallkamerad nicht mehr da ist.
Solche Geschichten gibt es viele. Sie zeigen, dass auch unsere Haustiere den Tod nicht einfach so hinnehmen. Viel mehr noch: Beobachtungen wie diese verdeutlichen, dass sie die Leere, die der Verlust eines Gefährten hinterlässt, sehr bewusst spüren. Ob es sich dabei um einen Menschen oder einen tierischen Freund handelt, spielt eine untergeordnete Rolle.

Was bedeutet das für uns?
Die Erkenntnis, dass Tiere trauern, verändert unseren Blick auf sie. Sie sind keine gefühllosen Wesen, die nur nach Instinkt handeln. Tiere bauen Bindungen auf, empfinden Verlust und finden manchmal eigene Wege, mit Abschieden umzugehen. Wenn ein Haustier einen Gefährten verliert, braucht es Zeit, Zuwendung und unser Mitgefühl. Aufmerksamkeit, Geduld und kleine Rituale können helfen, den Abschied zu verarbeiten. Denn letztlich zeigt uns die Trauer der Tiere etwas Wunderbares: Sie lieben. Sie erinnern. Und sie fühlen. Genau wie wir.
Trauer ist also kein rein menschliches Phänomen. Sie zieht sich durch die ganze Tierwelt und offenbart, wie tief soziale Bindungen auch in der Natur reichen. Ob Elefant, Delfin, Hund oder Vogel – ihre Reaktionen auf Verlust sind berührend und machen uns bewusst, dass wir unsere tierischen Begleiter mit noch mehr Respekt und Empathie betrachten sollten. Denn letztlich ist es wohl genau diese Fähigkeit zur Verbundenheit, die uns – Menschen und Tiere – am Ende so nah zusammenbringt.
Quellen:
Douglas-Hamilton, I., Bhalla, S., Wittemyer, G., & Vollrath, F. (2006). „Behavioural reactions of elephants towards a dying and deceased matriarch.“ Applied Animal Behaviour Science.
Archer, J., & Winchester, G. (1994). „Bereavement in companion animals.“ Anthrozoos.
Bearzi, G., Kerem, D., & Mourão, F. (2018). „Dolphin grief: Behavioral evidence of responses to dead conspecifics.“ Marine Mammal Science.
Anderson, J. R. (2011). „A primate’s perspective on death.“ American Journal of Primatology.
Pepperberg, I. M. (2002). „The Alex studies: Cognitive and communicative abilities of grey parrots.“ Harvard University Press.
McComb, K., Baker, L., & Moss, C. (2001). „Elephant cognition and behavior.“ Current Biology.
